Das Tagebuch der Anne Frank

Das Tagebuch der Anne Frank

Das Hessische Landestheater Marburg tingelt mit einer Anna-Frank-Adaption durch Schulaulen und gastiert dabei auch in der Kulturscheune Höchberg.

Drum geht´s

Das Tagebuch eines jüdischen Mädchens dokumentiert Erfahrungen und Gedanken während ihrer Zeit im Versteck vor den Nazis im Zweiten Weltkrieg.

Darum geht´s wirklich

Es geht um nicht weniger als um das Überleben. Und um die Hoffnung, dass am Ende nicht der Mensch siegt, sondern die Menschlichkeit.

Zum Bühnenbild

Ein Bühnenbild ist kaum vorhanden. Das ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass es sich um eine mobile Theaterproduktion handelt, die vorwiegend in Schulen zur Aufführung kommt. Hier werden einfach die gesetzten Bedingungen als gegeben betrachtet; gleiches gilt für die Aufführung in der Kulturscheune. Zum anderen aber lebt das Stück von den im Tagebuch manifestierten Gedanken der jungen Anne. Diese Innenansichten bedürfen weder Bühnenbild noch Requisiten. Das Publikum wird entführt in die Gedanken der jungen Frau und imaginiert deren Welt wo nötig.

Zur Inszenierung

Gleich drei Schauspielerinnen leihen ihren Körper Anne: mal gleichzeitig, mal miteinander, mal gegeneinander. Ein cleverer Schachzug, schließlich gibt es nicht „diese eine Anne“. Anne ist Mädchen mit vielen Facetten, und gerade der Vielschichtigkeit in der Gedankenwelt der jungen Jüdin tut diese Form der Darstellung gut. Die Inszenierung richtet sich offensichtlich an junge Menschen, die heute so jung sind wie Anne es war, als sie ihre Einträge verfasste. Aber reicht alleine das Attribut der Gleichaltrigkeit aus, um eine Bindung zwischen dem Publikum und den auf die Bühne projizierten Gedanken zu schaffen? Annes Gedanken wurden vor fast 100 Jahren aufgeschrieben und haben mitunter wenig gemein mit dem Seelenleben eines Wohlstandskindes der späten 2000er Jahre.

Regie und Dramaturgie scheinen sich dieser Problematik bewusst. Während Aspekte wie „Angst um das Leben“ und „sich verstecken müssen, um zu überleben“ für junge Menschen sehr abstrakt wirken müssen, werden andere Dinge sehr stark (über-)betont: Anne wird vom Mädchen zur Frau, entdeckt ihren Körper und ihre Sexualität, sie sucht ihre Identität. Alles durchaus Themen aus der Lebenswirklichkeit junger Menschen. Und so entsteht hoffentlich das notwendige wir-Gefühl beim jugendlichen Zuschauer: Anne ist eine von uns! Die starke Betonung dieser Passagen aus dem Tagebuch fungiert als Türöffner und baut eine Brücke vom hier ins dort.

Die Inszenierung bereitet einen Weg vom Zuschauerraum direkt in Annes Versteck im Hinterhaus der Prinsengracht 263. Das Publikum wird Annes Verbündeter und Vertrauter. Gleichsam weiß jeder im Zuschauerraum, wie die Geschichte enden muss. Dieses Wissen macht das Atmen schwer, steht wie eine dunkler Schatten am Bühnenrand und wartet auf seinen finalen Einsatz. Einzig die drei Annes scheinen noch nicht zu wissen, welches Schicksal ihnen zugedacht ist und zeigen ein unschuldiges junges Mädchen, das nur eines möchte: leben!

Fazit

Immer wieder an die Geschichte von Anne Frank zu erinnern oder junge Menschen an das Tagebuch heranzuführen ist notwendig, wichtig und richtig. Die Marburger Theatermacher reduzieren und verdichten das Stück für junge Gehirne mit TikTok-geprägter Aufmerksamkeitsspanne und tragen das Gedächtnis der Anne Frank mit viel Vehemenz in die Klassenzimmer der Republik. Als Dank dafür gibt´s 6 (alkoholfreie) Beer!

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